Freihandelsvertrag zwischen EU und Kanada – Grundlegende Bedenken noch nicht ausgeräumt!
Die Verhandlungen zum Freihandelsabkommen zwischen Kanada und der Europäischen Union (CETA) sind abgeschlossen und der Vertrag soll in den nächsten Wochen von den Außen- und Handelsministern angenommen werden. Für die Jungsozialisten und déi jonk gréng bestehen allerdings weiterhin sehr starke Bedenken:
1) CETA verankert den umstrittenen Investorenschutz!
Auch das neue, von der europäischen Kommission eingeführte, ICS (Investment Court System) ist keine zufriedenstellende Lösung für die grundsätzlichen Probleme des Investorenschutzes in Freihandelsverträgen wie CETA und TTIP. Weder das vorgesehene Verfahren zur Ernennung der Richter noch deren Stellung genügen den internationalen Anforderungen an die Unabhängigkeit von Gerichten.
Anders als oft von den Befürwortern behauptet, handelt es sich bei den Schlichtern nicht um unabhängige Richter. Diese sogenannten „Richter“ müssen „richterähnliche“ Qualifikationen aufweisen. Das bedeutet, dass dieselben Personen künftig „Richter“ sein können, die derzeit die internationale Schiedsgerichtsszene prägen. Es kommt hinzu, dass diese Schiedsrichter kein festes Gehalt bekommen, sondern pro Klage bezahlt werden – mit dem Standardsatz von $3.000 US am Tag. Das wiederum hat zur Konsequenz, dass die Richter ein ökonomisches Interesse an einer Zunahme von Klagen haben. Vor diesem Hintergrund erscheint das ICS nicht als internationaler Gerichtshof, sondern vielmehr als ständiges Schiedsgericht. Es ändert also nichts daran, dass ein paralleles Justizsystem geschaffen wird, das großen Unternehmen ermöglicht, Länder und Gemeinden zu verklagen, einheimische Unternehmen diskriminiert und die Privatisierung des öffentlichen Sektors fördert. Für die Jungsozialisten und déi jonk gréng darf ein Freihandelsvertrag keine Paralleljustiz für die Investoren beinhalten.
2) CETA schafft das Vorsorgeprinzip ab!
Das in Europa geltende Vorsorgeprinzip wird im CETA-Vertrag nicht ausdrücklich geschützt. Stattdessen wird es durch die sogenannte „rein wissenschaftliche Zulassung“ ersetzt. Das Vorsorgeprinzip wird zurzeit in der EU immer dann angewendet, wenn ein Restrisiko besteht. Wenn zum Beispiel ein Wirkstoff giftig oder krebserregend ist oder Gefahren von gentechnisch veränderten Lebensmitteln ausgehen, können die zuständigen Behörden ein Produkt vom Markt nehmen.
Mit Abschluss des CETA-Vertrages müssten in Zukunft alle Gefahren, die für Bürger bestehen, „zweifelsfrei wissenschaftlich nachgewiesen werden“ – erst dann könnte die EU-Kommission einen Stoff für die Anwendung verbieten. Der aktuelle Streit um den Pflanzenvernichter Glyphosat zeigt sehr deutlich, wie gefährlich es ist, sich nur auf das sogenannte „wissenschaftliche Zulassungsverfahren“ zu verlassen.
3) CETA läutet die Ära der totalen Liberalisierung ein!
CETA ist das erste Freihandelsabkommen der Europäischen Union und seiner Mitgliedstaaten, welches die Liberalisierungsverpflichtungen der Vertragsparteien mit sogenannten „Negativlisten“ regelt. Das bedeutet, dass grundsätzlich alle Dienstleistungen liberalisiert werden müssen, wenn nicht eine ausdrückliche Ausnahme vorgesehen wurde. Dies ist eine grundlegende Abkehr vom Positivlistenmodell, das bisher der Standard in den Handelsabkommen der EU war und nur die Liberalisierungen von Dienstleistungen zulässt, denen die Regierungen ausdrücklich zugestimmt haben.
Der Negativlistenansatz erweitert den Geltungsumfang von CETA auf drastische Weise. Damit gehen Regierungen auch Verpflichtungen für Bereiche ein, die noch gänzlich unbekannt sind (z.B. Dienstleistungen, die sich erst in der Zukunft aufgrund neuer Technologien entwickeln werden).
Zusätzlich verschärft wird die Problematik durch die gefährlichen Stillhalte- und Sperrklinken-Klauseln. Erstere legt fest, dass nach Einigung auf einen Status der Liberalisierung dieser nicht wieder aufgehoben werden darf. Letztere besagt, dass die zukünftige Liberalisierung eines Bereichs automatisch zu neuer Vertragsverpflichtung wird. Eine privatisierte Aufgabe könnte so niemals wieder rekommunalisiert werden. Dies könnte z.B. den zunehmenden Trend zur Rekommunalisierung in der Wasserwirtschaft, bei den Energienetzen und in der Verkehrswirtschaft gefährden.
Die Jusos und déi jonk gréng fordern die luxemburgische Regierung und die Parlamentarier schlussfolgernd dazu auf, sich der kritischen Stellungnahme des wallonischen Parlamentes anzuschließen und gegen CETA zu stimmen.
Veröffentlicht: 05:18 31/05/2016