Leserbrief Paul: „Urheberrecht – Anpassung an das digitale Zeitalter“

VON PAUL MATZET, Vorstandsmitglied déi jonk gréng

Veröffentlicht im Tageblatt Forum 2012 (c)

Tageblatt_Mittwoch-10 Oktober-2012_Forum(c)

Die Protestbewegung gegen ACTA (Anti-Counterfeiting Trade Agreement), die im Frühjahr Hunderttausend Menschen in ganz Europa auf die Straßen lockte, zeigt, dass es definitiv an der Zeit ist, über den digitalen Wandel in unserer Gesellschaft zu sprechen. Im Zentrum der Debatte scheint das Urheberrecht zu stehen. Dieses soll reformiert und an die aktuellen Gegebenheiten angepasst werden.

Dies ist jedoch viel einfacher gesagt als getan. Die Fronten sind relativ starr: Die Internetgemeinschaft will teilen und kopieren, die Verwerter wollen nur teilen, wenn jemand bezahlt.

Der Begriff des Teilens wird durch das Internet zu einem viel schwierigerem Thema als das vorher noch der Fall war. “Teilen im Sinne von Mitteilen und Teilhaben kennzeichnet die Produktion und Konsumtion immaterieller Güter. Und der in diesem Prozess geschaffene Reichtum wirft die Frage auf, wie er verteilt werden soll.”, so Maximilian Probst und Kilian Trotier (2012). Mit genau dieser Idee hat das Urheberrecht aber heute Schwierigkeiten.Wirft man jedoch einen Blick auf die Geschichte, erkennt man schnell, dass dies nicht immer so war.

Nach geltendem Urheberrecht hätte es die Pop-Art eines Andy Warhol nicht gegeben, um nur ein Beispiel zu nennen. “Der freie Umgang mit der Kunst der anderen wurde in dem Zuge eingeschränkt, indem die Gesetzgeber das Urheberrecht verschärften”so Maximilian Probst und Kilian Trotier (2012) weiter. Statt sich also der Entwicklung anzupassen, wird das Urheberrecht immer mehr zum Gegenspieler innovativer Ideen und bremst somit die Ausfaltung und den Austausch der einzelnen Künstler. Um diese Thematik noch besser zu verstehen sollte man sich die Frage stellen, wo das Urheberrecht überhaupt her kommt. Im 18. Jahrhundert änderte sich das Gesellschaftsbild sehr stark. Durch die bürgerlichen Modernisierungs- und Individualisierungsphasen hörten die Kirche und der fürstliche Hof auf Kunst zu finanzieren. Die Künstler mussten sich also neue Finanzierer suchen.

Des Weiteren war dies die Geburtsstunde der Druckmaschine, welche die Vervielfältigung von Texten und Schriften ermöglichte. Diese Situation führte zur Entstehung des Urheberrechtes: Es sicherte die Eigentumsrechte der Künstler und trug zu deren Finanzierung bei.

Und genau hier liegt das Problem. Das Urheberrecht sichert nicht nur das Eigentumsrecht der Künstlers, sondern hilft ihnen auch sich zu finanzieren. Es ist also ein wichtiger Bestandteil ihres lebensnotwendigen Einkommens. Die SACEM Luxemburg hat zum Beispiel 2011 ungefähr 800.000€ an schaffende Künstler allein in Luxemburg ausgezahlt. Das Urheberrecht trägt also so auch einen wichtigen Teil zum Erhalt kultureller Vielfalt bei.

Aber nicht nur aus finanzieller Sicht ist das Urheberrecht enorm wichtig für Künstler. Das oft gebrauchte Argument, große Konzerne würden das Urheberrecht nutzen, um Internetnutzer als Raubkopierer und Verbrecher darzustellen, ist eigentlich nicht ganz richtig. Das Urheberrecht gibt den Künstlern nämlich eine rechtliche Basis um mit Konzernen zu verhandeln und für ihre Werke vergütet zu werden. Das Urheberrecht schützt in diesem Sinne also die Künstler vor der kompletten Ausbeutung von Konzernen.

Trotz Allem bringt das Internet nun aber eine neue Realität ins Spiel. Maximilian Probst und Kilian Trotier (2012) schrieben: “Das Internet ist die vollendete Reproduktionsmaschinerie: Alles, was ins Netz eingespeist wird, ist mit ein paar Klicks zu haben, nicht selten kostenlos.” Trotz Kopierschutz und riesigen Sensibilisierungskompagnen hat sich die “Sharing” Kultur enorm vermehrt. Die Frage stellt sich also, ob das Urheberrecht seine Aufgabe, das Eigentumsrecht des Künstlers zu sichern und finanziell zu seinem Erhalt beizutragen, noch erfüllen kann.

Tim Renner (2012), ehemaliger Geschäftsführer von Universal Music in Deutschland, meint: “Kostenlos ist kein Menschenbedürfnis. Und weder Diebstahl noch Plünderei sind cool. Plünderung ist kein Hobby von Hipsters, sondern Ausdruck von Wut (siehe die Londoner Krawalle von 2011) oder purer Not (siehe den “Kohlenklau” in den Nachkriegsjahren). (…) Das Bedürfnis nach bequemen und unmittelbaren Zugriff auf Entertainment-Inhalte ist jedoch offensichtlich ein Bedürfnis. “ Weiter meint er: “Hätte man sich seitens der Musikindustrie inhaltlich mit dem illegalen Konkurrenten (Napster) beschäftigt, statt ihn ungesehen und ungenutzt zu verdammen, hätten wirkliche, legale Alternativen nicht fünf (iTunes), respektiv zehn (Spotify) Jahre nach Napster auf sich warten lassen. (…) Wir müssen also nicht nach schärferen Gesetzen rufen, sondern Blockaden wie zwischen GEMA und Youtube aufheben helfen, damit die adäquaten Angebote entstehen.”

Auch in Luxemburg gibt es immer noch keine legale Möglichkeit zum Beispiel Serien online zu erwerben. Den Nutzern bleibt hier also nichts anderes übrig als sich entweder zu enthalten oder auf illegale Möglichkeiten zurück zu greifen. Solange dies der Fall ist, muss man sich doch fragen ob es überhaupt gerechtfertigt ist diese Nutzer anzugreifen.

Sowohl die Politik wie auch die Industrie haben es also versäumt sich den neuen Gegebenheiten frühzeitig anzupassen um so dem aktuellen Problem zumindest entgegenzuwirken. Dies ist ein klarer Aufruf zum Handeln. Nicht ACTA hätte das Problem gelöst, sondern ein klares Umdenken in der Politik sowie auch in der Industrie, wird zu einer Anpassung des Urheberrechtes beitragen.

Es gilt also zu handeln und das Problem an den Wurzel zu packen. Dies wird allerdings nicht erreicht indem man erklärt, um den Minister Etienne Schneider (2012) zu zitieren: “Le Luxembourg entend renforcer la lutte contre la contrefaçon.” Wenn der Minister behauptet: “Nous voulons attirer les Copyright Industries”, kann dies nicht bedeuten, dass man das Urheberrecht verstärken will, sondern dass diese neue Geschäftsmodelle entwickeln, welche den Bedürfnissen der Nutzer, aber auch der Künstler, entsprechen. Sie sollen also dazu beitragen, dass das Urheberrecht wieder seinen Platz in der neuen digitalen Kultur findet.

Diese “Platzsuche” sollte jedoch nicht als banale Auflockerung des Urheberrechts verstanden werden. Im Gegenteil sollten die Urheber und deren Schutz weiterhin im Mittelpunkt der Debatte stehen. Auf der anderen Seite sollen aber auch Datenschutz und Netzneutralität Bausteine eines digital angepassten Urheberrechtes sein. Eine Reform ist also nur möglich wenn alle Beteiligten in die Diskussion eingebunden werden. Nicht nur die Politik, Industrie und Nutzer, sondern vor allem auch die Künstler, also Urheber, sollten hier Gehör finden.

Wenn es stimmt, dass das Urheberrecht “de première importance pour le Luxembourg” (Schneider, 2012) ist, sollte Luxemburg sich der Entwicklung stellen und sich auf europäischer und internationaler Ebene für eine Anpassung des Urheberrechtes an das digitale Zeitalter einsetzen. Diese Vorreiterrolle könnte klare Vorzüge für unser Land haben und somit die gewünschten “Copyright Industries” anlocken.
Bei Allem sollte man nicht vergessen, wie es Anna Sauerbrey (2012) klar formuliert hat: “Damals, gegen Ende des 18. Jahrhunderts, spielte beides eine Rolle – das Recht darauf, mit einer Idee Geld zu verdienen, aber auch der Wunsch, möglichst viel Wissen zu generieren und es möglichst weit zu verbreiten, zum Wohl der Allgemeinheit.”

Quellen:
Probst M., & Trotier L. ( 2012). Lernt zu teilen! Bevor es zu spät ist. Retrieved March 25th, 2012 from http://www.zeit.de/2012/12/Urheberrechtsdebatte/
Renner T. (2012). Der große Umsonst-Irrtum. Retrieved April 16th, 2012 from http://www.motor.de/motorblog/tim.renner/tim_renner_der_grosse_umsonst_irrtum.html
Sauerbrey A. ( 2012). Acta. Vision für Urheberrecht dringend gesucht. Retrieved March 25th, 2012 from http://www.tagesspiegel.de/meinung/acta-vision-fuer-urheberrecht-dringend-gesucht/6205434.html%20
Schneider E. ( 2012) Discours du 26 avril 2012 à la Philharmonie pour la journée luxembourgeoise de la propriété intellectuelle

 

Veröffentlicht: 19:33 16/10/2012