Neuer Minister, neues Glück?

Der neue Landwirtschaftsminister ist jetzt gefordert, den nachhaltigen Umbau der Landwirtschaft zu beschleunigen

Unsere Ernährung ist im Wandel. Lokaler Konsum, Bio, vegetarische und vegane Lebensmittel waren noch nie so stark im Trend wie heute und immer mehr Menschen hinterfragen die Herkunft der Lebensmittel, die auf ihrem Teller landen. Dabei sind es insbesondere die jüngeren Generationen, die bewusst auf eine nachhaltige Ernährung achten. Bei einer deutschen Studie haben rund 13 Prozent aller 15 bis 29-Jährigen angegeben sich vegetarisch oder vegan zu ernähren – das sind doppelt so viele wie in der Gesamtbevölkerung.[1]

Diesen positiven Wandel aufzunehmen, zu fördern und daraus einen strukturellen Umbruch in der Landwirtschaft abzuleiten ist die große Aufgabe der Landwirtschaftspolitik der nächsten Jahre. Denn die Herausforderung ist groß: In Luxemburg befinden sich zwei Drittel der Habitate in schlechtem oder unzureichendem Zustand. Der Landwirtschaftssektor ist der Haupttreiber für diese Entwicklung[2], aber damit auch als wichtiger Akteur in der Bekämpfung der Klima- und Biodiversitätskrise gefordert.

Die Regierung ist sich diesen Herausforderungen bewusst. Deshalb hat sie sich zum Ziel gesetzt, die Treibhausgasemissionen des Agrarwesen bis 2030 um 27% zu reduzieren. Dem Bio-Aktionsplan zufolge soll bis 2050 die landwirtschaftliche Fläche in Luxemburg zu 100% biologisch bewirtschaftet werden, bis 2025 sollen es bereits mindestens 20% sein.

Doch die Realität liegt weit hinter den Ambitionen zurück: Heute werden nur etwa 5% der landwirtschaftlichen Fläche biologisch bewirtschaftet und es geht auch nur sehr langsam voran.[3] Ein ernüchterndes Zwischenfazit, das eigentlich nur die Schlussfolgerung zulässt, dass der neue Landwirtschaftsminister schnell zusätzliche Maßnahmen beschließen muss, damit die Ernährungswende gelingt.

Klare Strategie

Mit dem nationalen Strategieplan zur Umsetzung der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik (GAP) musste sich der neue Minister seiner ersten Bewährungsprobe stellen. Der Strategieplan definiert die Landwirtschaftpolitik für 2023-2027 und ist somit ein wichtiger Wegweiser für die zukünftige Entwicklung der Landwirtschaft. Anhand von gezielten Prämien haben die EU-Mitgliedsstaaten die Möglichkeit, den nachhaltigen Umbau der Landwirtschaft hin zur Klimaneutralität und mehr Umweltschutz schnell und wirksam voranzutreiben.

Leider fällt die Bilanz der nun beschlossenen Strategie ernüchternd aus. In einem ehrgeizigen Szenario hätte der Strategieplan einen Paradigmenwechsel in der luxemburgischen Landwirtschaft angestrebt, in denen die Nachhaltigkeit der Bewirtschaftung und nicht die Größe des Betriebs über die Höhe der Prämien bestimmt.

Stattdessen sieht der Entwurf vor, dass lediglich 25% des gesamten Budgets in die sogenannten Eco-Schemes fließen. Quantität steht hier also immer noch vor Qualität. Angesichts der enormen Herausforderungen, vor denen wir stehen, ist dies unzureichend, da der Plan die Landwirtschaft die kommenden 6 (!) Jahre begleiten soll.

Im Sinne einer zukunftsfähigen Landwirtschaft sollten der Biodiversitätsschutz, die Diversifizierung des Sektors sowie der Ausbau der Bio-Landwirtschaft endlich zu einer klaren und transparenten Strategie zusammenfinden, die den landwirtschaftlichen Betrieben die nötige Planungssicherheit gibt. Umwelt- und Klimaschutz muss sich für Landwirt:innen lohnen. Nur so kann man den zahlreichen Jungbäuerinnen und -bauern langfristige Zukunftsperspektiven bieten.

Mehr Transparenz

Natürlich entscheiden am Ende immer noch die Verbraucher:innen darüber, welche Lebensmittel in ihrem Einkaufswagen landen. Transparente Labels ermöglichen es ihnen dabei, schnell und zuverlässig zu erkennen, ob ein Produkt ausgewählten Standards und Qualitätskriterien entspricht.

Auch in Luxemburg soll ein neues Label eingeführt werden, um Verbraucher:innen bei der Kaufentscheidung zu unterstützen. Der diesbezügliche Gesetzesentwurf, der momentan im Parlament diskutiert wird, beinhaltet ein Zertifizierungssystem mit insgesamt 26 Kriterien in den drei Kategorien (1) Qualität – Geschmack, (2) Regional – Solidarität und (3) Umwelt – Tierwohl.

Allerdings zeigt sich bei genauerer Betrachtung, dass ein Produkt nur drei Kriterien in jeder Kategorie erfüllen muss, damit dieses zertifiziert wird – insgesamt also nur 9 von 26 Kriterien. Hinzu kommt, dass einige dieser Kriterien relativ ambitionslos sind oder bereits von den meisten Betrieben umgesetzt werden, und somit keinen zusätzlichen Qualitätsstandard darstellen.

Damit gibt das Label, wie es momentan vorgesehen ist, weder eine klare Auskunft über die Nachhaltigkeit, noch schafft es einen Anreiz für landwirtschaftliche Betriebe, über die Minimalkriterien hinaus zu gehen, denn es unterscheidet sich optisch nicht – egal ob ein Betrieb die vollen Kriterien oder gerade einmal nur ein Drittel davon erfüllt. Der Verdacht des Greenwashings liegt nahe.

Die Mindestkriterien sollten demnach verschärft werden, z.B. durch obligatorische Kriterien für Umwelt- und Wasserschutz und den reduzierten Einsatz von Pestiziden und Antibiotika. Im Sinne einer erhöhten Transparenz müsste das Label auch optisch überarbeitet werden und den Verbraucher:innen bei der Kaufentscheidung in jeder Kategorie klar aufzeigen, inwiefern das Produkt nur die Mindestkriterien erfüllt oder darüber hinausgeht.

Mehr Bio in Kantinen

Um die Ziele des Bio-Aktionsplans zu erreichen, müssen auch die Absatzmärkte für biologische Produkte ausgebaut werden. Der Staat kann hier aktiv mitwirken, indem er selbst Lebensmittel aus biologischem Anbau bezieht. Besonders die öffentlichen Schul- und Universitätskantinen von Restopolis bieten mit ihren jährlich 6,5 Millionen verkauften Lebensmittelprodukten ein großes Potential.

Mit dem Konzept Food4Future wurde festgehalten, dass ab 2025 die Hälfte der Produkte, die Restopolis anbietet, aus Luxemburg und insgesamt 20% aus biologischem Anbau stammen sollen. Dieses Ziel deckt sich somit exakt mit den Zielen des Bio-Aktionsplans.

Angesichts des großen Rückstands im Ausbau der biologischen Flächen drängt sich allerdings die Frage auf, ob der Staat selbst nicht über die Ziele des Bio-Aktionsplans hinausgehen sollte, um den Ausbau der Bio-Landwirtschaft zu fördern. Dies wäre nicht nur ein starkes Zeichen gegenüber den Schüler:innen, es würde auch den Landwirten signalisieren, dass ein Umstieg auf Bio sich lohnt, da der Staat zusätzliche Absatzmärkte schafft.

Jugend beteiligen

Besonders die jungen Generationen werden von den heutigen Entscheidungen in der Ernährungs- und Landwirtschaftspolitik betroffen sein. Denn: die Weichen für die Zukunft werden heute gestellt. Doch ihre Ansichten werden bisher nicht systematisch in die Entscheidungsprozesse integriert.

Im Ernährungsrat, der mit dem neuen Ernährungsgesetz ins Leben gerufen werden soll um die Regierung zu beraten, müssen demnach auch junge Vertreter:innen systematisch ihren Platz finden. Dasselbe gilt auch für den vorgesehenen Begleitausschuss, der Restopolis zu den Themen ausgewogene Ernährung, lokale, biologische und saisonale Lebensmittel sowie Lebensmittelverschwendung beraten soll. Da auch hier die Schüler:innen und Student:innen direkt von den Entscheidungen betroffen sind, scheint es geradezu selbstverständlich, dass sie auch in diesem Rat vertreten sind.

Die Herausforderungen sind groß, die Wunschliste lang. Umso hoffnungsvoller ist deshalb auch der Blick auf den neuen Minister, der jetzt neuen Elan in die Landwirtschafts- und Ernährungspolitik bringen muss.

Das Glyphosat-Verbot hat gezeigt, dass Luxemburg durchaus dazu in der Lage ist, ambitionierte Entscheidungen im Sinne von mehr Umwelt- und Klimaschutz zu treffen. Nun gilt es, diese Ambitionen beizubehalten und gemeinsam den Weg hin zu einer zukunftsfähigen Landwirtschaft, mehr Tierwohl und den Erhalt unseres Planeten einzuschlagen.

Tanja Duprez ist Beraterin für internationale Klimapolitik und Co-Vorsitzende von déi jonk gréng

Tammy Huberty ist kommunale Umweltberaterin und Mitglied bei déi jonk gréng.

Fabricio Costa ist Politologe und Mitglied des Vorstands von déi jonk gréng.

Tom Faber ist Entwickler & war langjähriges Vorstandsmitglied von déi jonk gréng.


[1] Heinrich Böll Stiftung (2021), Fleischatlas 2021: Jugend, Klima und Ernährung

[2] Observatoire de l’environnement naturel (2020), Ergebnisse des nationalen Berichts für die Periode 2013-2018 https://environnement.public.lu/content/dam/environnement/actualites/2020/09/observatoire/ODEN-Praesentation-09092020.pdf

[3] Ministère de l’Agriculture, de la Viticulture et du Développement rural (2021) Communiqué sur le plan bio https://gouvernement.lu/dam-assets/documents/actualites/2021/03-mars/19-plan-pan-bio-2025/MinAgri-Evolution-surfaces-agricoles-bio.pdf

Veröffentlicht: 10:57 29/01/2022