Progressive Wohnungspolitik statt Laissez-faire

Wohnen wird immer teurer. Dies hat zur Folge, dass der Zugang zu bezahlbarem Wohnraum vor allem für Studierende, Geringverdiener:innen und Berufsanfänger:innen immer schwieriger wird. Hiervon sind besonders Haushalte mit niedrigem Einkommen stark betroffen, denn sie geben im Durchschnitt über die Hälfte ihres Einkommens fürs Wohnen aus. Vor 10 Jahren lag dieser Wert noch bei 40%.[1] Auch die Situation der jüngeren Generationen reflektiert immer stärker die generellen Schwierigkeiten, mit denen Menschen in Luxemburg auf dem Wohnungsmarkt konfrontiert werden. 

Mehr staatlicher Wohnungsbau 

Um die Wohnungskrise zu bekämpfen, muss die öffentliche Hand sich als aktive und richtungsweisende Akteurin auf dem Wohnungsmarkt etablieren. Denn nur auf den privaten Markt zu setzen, funktioniert nicht – das zeigen die Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte. Der Pacte Logement 2.0 ist dafür ein entscheidendes Instrument, denn er schafft einen Mechanismus, bei dem in Zukunft ein Teil der neu geschaffenen Wohnungen quasi automatisch an die öffentliche Hand gehen, wodurch der öffentliche Wohnungspark in den nächsten Jahren stetig erweitert wird. Um möglichst viele Projekte umsetzen zu können, darf sich der Staat nicht scheuen, die entsprechenden Gelder in die Hand zu nehmen. Zusätzlichen budgetären Spielraum für den öffentlichen Wohnungsbau könnte der Staat zum Beispiel durch den Verkauf seiner Beteiligungen an Banken, die während der Finanzkrise eingegangen wurden, generieren. 

Klare steuerliche Signale

Dem Observatoire de l’habitat zufolge stehen in Luxemburg aktuell ungefähr 2.900 Hektar Bauland innerhalb der Bauperimeter zur Verfügung. Davon sind etwa 940 Hektar sogenannte „Baulücken“, die kurzfristig bebaut werden können.[2] Doch viel zu oft liegen solche Baulücken über Jahrzehnte brach, da ihr Wert und somit der Profit der Besitzer:innen jedes Jahr weiter steigt. In der Vergangenheit wurde es versäumt, dieses Bauland über steuerliche Maßnahmen zu mobilisieren. Dies muss sich endlich ändern. Deshalb muss im Rahmen der Reform der Grundsteuer auch eine substanzielle Besteuerung von unbebautem Bauland innerhalb des Bauperimeters eingeführt werden. Nur so können Grundstücksbesitzer:innen dazu ermutigt werden, ihr Bauland zu bebauen und somit dazu beitragen, das Wohnungsangebot zu erhöhen. 

Ähnlich verhält es sich auch bei leerstehenden Wohnungen. Die Gemeinden haben heute schon die Möglichkeit, sowohl bebaubare Grundstücke als auch leerstehende Wohnungen durch zusätzliche Steuern zu mobilisieren. Doch leider wird davon kaum Gebrauch gemacht. Um das Phänomen der leerstehenden Wohnungen zu bekämpfen und damit zusätzlichen Wohnraum auf den Markt zu bringen, kommt Luxemburg nicht um eine nationale Leerstandssteuer herum. Hier sind auch die Gemeinden in der Pflicht, mit den zuständigen Ministerien zusammenzuarbeiten, da sie über die nötigen Informationen verfügen, um leerstehenden Wohnraum ausfindig zu machen.

Nachhaltige Bau- und Wohnkultur 

Für die Gemeinde der Zukunft gilt es, neue Wohnformen zu entwickeln und zu fördern. Das immer noch sehr beliebte und weit verbreitete Einfamilienhaus frisst Fläche und erfordert hohe (Auto-)Mobilität. Dies ist nicht nur aus ökologischer und ökonomischer Sicht unvorteilhaft, es entspricht auch oft nicht mehr den Vorstellungen der jüngeren Generationen. Um den veränderten Arbeits- und Haushaltsstrukturen sowie dem gestiegenen Anspruch an Wohnqualität gerecht zu werden, muss dichtes, urbanes und gemeinschaftliches Wohnen attraktiv gemacht werden. Dichte ermöglicht alles, was das Zusammenleben in einem Dorf oder Stadtviertel ausmacht: Begegnungen, Vielfalt und Zusammenhalt in der Nachbarschaft. Den von Autos besetzten öffentlichen Raum gilt es zurückzuerobern und für Grün- und Freiraum sowie öffentliche und soziale Nutzungen zu erschließen. 

Neue Wohnformen können einen Beitrag zu dichteren Dörfern und Städten leisten, indem private Wohnflächen reduziert und gemeinschaftlich genutzte Räume vergrößert werden. Denn zukunftsfähiges Wohnen zu fördern heißt, alternative Wohnformen zu entwickeln, in denen unterschiedliche soziale Gruppen und Generationen zusammenleben. Wohngenossenschaften und Baugruppen sind beispielsweise Modelle, bei denen Wohnraumsuchende sich zusammentun, um gemeinsam und jenseits der üblichen Marktmechanismen Wohnraum zu sichern. Verantwortungsgefühl, Gemeinschaft und Engagement für das Wohnumfeld stehen hier im Fokus. Diese alternativen Ansätze sind jedoch in Luxemburg immer noch wenig verbreitet und der Mangel an erfolgreichen Vorbildprojekten erschwert die Umsetzung. Um eine breitere Bevölkerung hierfür zu sensibilisieren, muss eine Anlaufstelle geschaffen werden, um interessierten Personen den nötigen Zugang zu Informationen, Netzwerken und Expert:innen zu ermöglichen. Das gemeinschaftliche bzw. intergenerationelle Wohnen kann zudem auch auf kommunaler Ebene dadurch gefördert werden, dass bei der Ausarbeitung der Flächennutzungspläne mehr Wert auf Einliegerwohnungen (“logement intégré”) gelegt wird. 

Mieter:innen stärken

Weil der Wohnungskauf durch die hohen Preise für immer weniger Menschen erschwinglich wird, bleibt oftmals nur die Option: mieten. Die Stärkung der Mieter:innenrechte ist daher von hoher Wichtigkeit. Vermieter:innen können mit dem neuen Mietgesetz für die Mietkaution nur noch zwei anstatt drei Monatsmieten als Kaution fordern und die Kosten für die Immobilienagenturen werden künftig unter beiden Parteien aufgeteilt. Wohngemeinschaften werden endlich gesetzlich geregelt, womit eine langjährige Forderung von déi jonk gréng umgesetzt wird. Wir sehen darin eine wichtige gesellschaftspolitische Reform, mit der alternative Lebensentwürfe als gleichwertig anerkannt werden.

Darüber hinaus gibt es noch weitere Möglichkeiten, um Mieter:innen zu stärken. Die Mietkommissionen müssen professionalisiert werden. Außerdem sollten alle Mietverträge in einer Datenbank eingetragen werden. Überhaupt braucht es ein flächendeckendes Angebot an kostenlosen Beratungsstellen für Mieter:innen, an die sie sich wenden können, wenn sie den Verdacht hegen, dass ihre Rechte missachtet werden. Menschen, die in sogenannten ,,Kaffiszëmmeren’’ wohnen, sind aufgrund ihrer prekären Situation besonders anfällig für Missbräuche. Mit dem Salubritätsgesetz von 2019 wurden ihre Rechte als Mieter:innen gestärkt. Wenn sie ihre Wohnung aufgrund der Missachtung der gesetzlichen Mindestanforderungen an Bewohnbarkeit, Hygiene und Sicherheit verlassen müssen, sind Vermieter:innen verpflichtet, während drei Monaten die Kosten für ihre Unterbringung zu übernehmen. Diese Zeitspanne muss auf sechs Monate erhöht werden, da die Suche nach einer anderen Wohnung sich besonders für diese Menschen oftmals als schwierig erweist. Die Situation von Mieter:innen kann jedoch nur durch den Aufbau eines staatlichen Wohnungsbauparks, bei dem die Mieten an die Einkommenssituation und Haushaltszusammensetzung angepasst sind, strukturell verbessert werden.

Ressortübergreifend Verantwortung übernehmen

Nachdem der Staat jahrzehntelang nur sehr zaghaft versucht hat, die Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt zu beeinflussen, ändert sich mit dem Pacte Logement 2.0 und dem neuen Mietgesetz die wohnungspolitische Stoßrichtung. Die öffentliche Hand legt neue Spielregeln fest und positioniert sich damit als wichtige Akteurin auf dem Wohnungsmarkt. Der systematische Aufbau eines robusten Bestandes an öffentlichen und wirklich bezahlbaren Wohnungen ist eine Mammutaufgabe.  Es gilt, diese ambitionierte Politik konsequent weiterzuführen und ressortübergreifend umzusetzen. Neben dem Bau von sozialen (Miet)Wohnungen, der Förderung von alternativen Wohnformen und dem Schutz der Mieter:innen, müssen auch dringend die nötigen steuerpolitischen Maßnahmen umgesetzt werden. 

Catherine van Rijswijck ist Geographin und Stadtplanerin

Jessie Thill ist Umweltphysikerin und Schöffin der Gemeinde Walferdingen

Joël Back studiert Geschichte im Master an der Universität Trier und ist Co-Sprecher von déi jonk gréng

Fabricio Costa ist Politologe

Alle Autor:innen sind Mitglieder des Vorstands von déi jonk gréng.


[1] https://www.liser.lu/ise/display_indic.cfm?id=595.

[2] http://observatoire.liser.lu/pdfs/Note22_A4.pdf.

Veröffentlicht: 20:19 04/07/2021