Uneingeschränktes Wahlrecht für Menschen mit Behinderungen – „Diskriminierung beenden – Unterstützung gewährleisten!“

Gemeinsame Pressemitteilung von déi jonk gréng und Nëmme Mat Eis! a.s.b.l.:

Anlässlich des Europäischen Protesttages zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen fordern wir, dass die Bestimmungen der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, die von Luxemburg im September 2011 ratifiziert wurde, schnell und effektiv umgesetzt werden: Die bestehenden völkerrechtswidrigen und diskriminierenden Regelungen betreffend des Ausschluss vom Wahlrecht sind zu ersetzen, damit Menschen, die aufgrund ihrer Behinderung unter Vormundschaft stehen, endlich in adäquater Weise am Wahlprozess und am politischen Leben teilhaben können.

Während zahlreiche Länder in Europa sich mittlerweile mit einer Verbesserung des Wahlrechts für Menschen mit geistigen Behinderungen oder psychischen Erkrankungen auseinandersetzen, wurde diesem Problem in Luxemburg trotz ausführlicher Debatte über Verfassungsreform und Erweiterung des Wahlrechts keine Beachtung geschenkt.

Das Wahlrecht ist im 21. Jahrhundert kein Privileg mehr, sondern ein Grundprinzip. Jedes Abweichen von diesem Prinzip birgt die Gefahr einer Aushöhlung der demokratischen Gültigkeit des Wahlprozesses. Deshalb darf es keine pauschalen Wahlaus- schlussregelungen geben. Trotzdem sieht die luxemburgische Verfassung für Erwachsene, die aufgrund der Art und Schwere ihrer Behinderung unter Vormundschaft stehen, einen allgemeinen und automatischen Ausschluss vom Wahlrecht vor.

Im Umgang mit Menschen mit Behinderungen muss unserer Meinung nach ein Paradigmenwechsel stattfinden. Denn als gleichberechtigte TrägerInnen aller Grundrechte müssen sie vollwertig in unsere Gesellschaft integriert und somit ihren Mitmenschen gleichgestellt werden. Wir sehen keinen Grund darin, beispielsweise Menschen mit psychischen Erkrankungen oder geistigen Behinderungen vom Wahlrecht auszuschließen. In Ländern wie Österreich, den Niederlanden, Finnland, Schweden und dem Vereinigten Königreich, wo der Wahlausschluss für Menschen mit Behinderungen komplett abgeschafft wurde, hat sich gezeigt, dass diese Maßnahme keinerlei Gefahr für das Wesen und die Funktionsfähigkeit der Demokratie darstellt.

Deshalb fordern wir, dass Einschränkungen des Wahlrechts für Menschen mit Behinderungen vollends abgeschafft werden und gleichzeitig angemessene Vorkehrungen ergriffen werden, um den Wahlprozess so zugänglich wie möglich zu gestalten.

Hierzu gehören Maßnahmen bei der Vorbereitung der Wahlen wie die Bereitstellung der Wahlprogramme in leicht zu lesender Sprache (in deutscher Schriftsprache für die gehörlosen WählerInnen). Diese Programme müssen barrierefrei sein, so dass sie auch mit Bildschirmlesegeräten gelesen werden können. Wahlwerbespots müssen, um für sehbehinderte Menschen verständlich zu sein, genügend ausdrücklich gesprochene Informationen enthalten, die die Inhalte von Bildern ersetzen bzw. vervollständigen.

Die politischen Parteien müssen bestärkt werden, ihr Programm in formatierter und leicht zu lesender Sprache zu beschreiben. Informationsveranstaltungen zum Wahlvorgang müssen sowohl gemeindenah als auch in Einrichtungen – bei Bedarf mit Einsatz von GebärdensprachdolmetscherInnen organisiert werden.

Bei den Wahlen selbst muss für einen barrierefreien Zugang zu den Wahlbüros gesorgt werden, beim Wahlverfahren muss auf die Verwendung einfacher Sprache in Verbindung mit Illustrationen zurückgegriffen werden können. Die Wahl eines persönlichen Assistenten für das Wahlverfahren muss ermöglicht werden (wie in der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung ausdrücklich vorgesehen).

Es ist an der Zeit, den gesellschaftlichen Wandel, der in der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen begründet liegt, in die Praxis umzusetzen. Damit Menschen mit Behinderungen gleichberechtigte Mitglieder der Gesellschaft sein können, muss diese sich auf ihre besonderen Anforderungen einstellen.

Communiqué als PDF: Download

Veröffentlicht: 11:23 06/05/2013